Mit allgemeiner Begeisterung wurde die Premiere der „Walküre“ des neuen „Ring des Nibelungen“ in der Regie von David McVicar an der Scala di Milano aufgenommen. Mit Hannah Postlethwaite wählte er bei einer diesmal intensiveren Personenregie wieder durchaus traditionell wirkende Bühnenbilder, ohne dies negativ konnotieren zu wollen. Die Szenerie war stets sehr ansprechend und hob vor allem den Mythos des opus magnum Wagners gebührend hervor - der Mythos, der so entscheidend ist in der Interpretation des „Ring“. So sehen wir im 2. Aufzug eine stilisiertes Felsengebirge, Fricka kommt mit menschlichen Widdern herbei, und Brünnhilde wird in einen auseinandergefahrenen Kopf ihrer Mutter Erda zum Schlaf gebettet - auf einer Hand, die schon bei den Rheintöchtern zu sehen war, und es gab am Ende auch einen ganz formidablen Feuerzauber. Die dabei besonders wichtige Beleuchtung von David Finn war gut, hätte aber etwas facettenreicher sein können. Einen unkonventionellen Einfall erlaubte sich das Regieteam mit Grane und den Pferden der acht Walküren. Auf Pferden nachempfundenen Metallgestellen hüpften - im 3. Aufzug etwas übermotiviert - neun junge Männer auf der Bühne umher.
Klaus Florian Vogt war Siegmund, eine Rolle, die eigentlich tiefer liegt als sein Tenor. Der Siegfried ist für ihn wohl die passendere Rolle, aber natürlich hat er das hier wieder sehr gut gemacht, auch darstellerisch, und mit perfekter Diktion. Elza van den Heever war eine kraftvolle Sieglinde, auch in ihrer großen Erscheinung, die ihm auf Augenhöhe begegnete. Günther Groissböck war ein Angst einflößender Hunding, schauspielerisch und stimmlich tadellos wie immer. Michael Volle als ultra-souveräner Wotan hat die Rolle mittlerweile beeindruckend verinnerlicht. Großartige stimmliche Interpretation bei bester Mimik, alles, was das Wagner-Herz begehrt. Okka von der Damerau war die erwartet persönlichkeitsstarke Fricka.
Camilla Nylund in der Titelrolle war aber dann doch der Star des Abends. Sie singt die Brünnhilde mit einer Klangschönheit bei optimaler Technik und vokaler Ausgewogenheit, dass man zu dem Schluss kommen muss, ihr den eigentlich widersprüchlichen Titel einer lyrisch-hochdramatischen Sängerin zu verleihen. Man ist zeitweise sprachlos, mit welcher Leichtigkeit sie die gesamte Phasierung lyrisch konzipiert und darauf eine vokale Durchschlagskraft entwickelt, die niemals die Gesangslinie verlässt. Ihre acht Schwestern waren bis auf zwei und vor allem im Ensemble sehr gut.
Simone Young am Pult des Orchestra del Teatro alla Scala hatte das Ensemble diesmal besser im Griff als beim „Rheingold“, obwohl man hier und da noch paar kleine Ungenauigkeiten hörte. Es war großer Wagner-Sound in der Scala zu hören. Vielleicht markiert diese Interpretation der Tetralogie in Mailand den Beginn eines Umdenkens in der Rezeption des Wagnerschen Musiktheaters, indem man sich wieder mehr auf die ursprüngliche Werkaussage fokussiert. Ein solches bouncing back vom immer mehr aus dem Ufer laufenden Regisseurs-Theater entspräche damit nicht zuletzt der sich derzeit scheinbar auch ändernden gesellschaftspolitischen Entwicklung.